Zwischen Zutrauen, Zumuten und Zuversicht: Auswahl von Nachfolgern in Familienunternehemen
Zwischen Anfang 2024 und Ende 2026 stand in knapp der Hälfte der deutschen Familienunternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern die Führungsnachfolge an. Das bedeutet in jedem Fall eine Zäsur – und steht kein Nachfolger aus der Familie zur Verfügung, den Übergang zu einem Fremdmanagement. Fehlbesetzungen können in beiden Fällen schwer-wiegende Folgen haben. Steffen Nickel und Andreas Frintrup verfügen über langjährige Erfahrung in der Eignungsdiagnostik, mit deren Hilfe geprüft wird, ob ein Kandidat objektiv die Voraussetzungen mitbringt.
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Wie aus Verantwortung Zukunft wird: Prozess der Nachfolgeplanung
Die Frage, wer in einem Familienunternehmen die Nachfolge antreten soll, ist selten eine rein fachliche. Häufig geht es um Erwartungen, Traditionen und die unausgesprochene Hoffnung, dass jemand aus der Familie in die Fußstapfen der Gründerin oder des Gründers treten kann. Doch Verantwortung lässt sich nicht einfach vererben, sie muss übernommen, entwickelt und von anderen akzeptiert werden.
Deshalb ist die Nachfolgeplanung immer als ganzheitlicher Prozess zu verstehen, der familiäre Realitäten, Kommunikationsmuster, Rollenverständnisse und emotionale Balance betrifft. Darin unterscheidet sich die Identifikation potenzieller Nachfolgerinnen und Nachfolger deutlich von klassischen eignungsdiagnostischen Verfahren, die primär auf den Abgleich von Positionsanforderungen und Bewerberprofilen zielen. Und: Sie sind viel mehr Einzelfalldiagnosen, weil – abgesehen von einem oder wenigen Familienmitgliedern – auch eine kleine Zahl externer Alternativen zu betrachten ist – letztere sollte man aber stets einbeziehen, alleine schon, um weder in der Familie noch extern angreifbar zu sein, man habe nicht nach der besten aller Optionen gesucht. Compliance oder Due Diligence in der Nachfolgeentscheidung sind freilich umso bedeutender, je mehr externe Anforderungen bestehen – z.B. seitens weiterer Familienstämme, Finanzierungspartnern, Kunden, Mitarbeitenden und – bei börsennotierten Familienunternehmen – nicht-familiären Eigentümerstrukturen und Berichtspflichten. Der Kapitalmarkt verzeiht keine innerfamiliären Fehlbesetzungen.
Hinzu kommt: Die Nachfolge im Familienunternehmen ist kein wiederkehrender Auswahlprozess wie die turnusmäßige Bestellung externer Vorstände oder Geschäftsführer auf Zeit, sondern meist ein singuläres Ereignis, das nach Jahrzehnten der Kontinuität stattfindet und emotional hoch aufgeladen ist mit weitreichenden Konsequenzen für Familie und Betrieb.
Um in dieser komplexen Situation Orientierung zu schaffen und tragfähige Entscheidungen zu ermöglichen, empfiehlt sich ein strukturierter, transparent gestalteter Ablauf. Der folgende siebenstufige Prozess zeigt, wie die Identifikation geeigneter Nachfolgerinnen und Nachfolger systematisch, fair und zugleich mit der nötigen Sensibilität erfolgen kann.
Schritt 3: Identifikation potenzieller Nachfolgerinnen und Nachfolger
Nachdem die Anforderungen an die Nachfolge klar definiert sind, folgt die Identifikation möglicher Kandidatinnen und Kandidaten. Gerade in dieser Phase ist es entscheidend, persönliche Präferenzen und familiäre Erwartungen von objektiven Kriterien zu trennen. Sympathie, Geburtsreihenfolge oder Nähe zur Unternehmerin oder zum Unternehmer dürfen keine (allein) ausschlaggebenden Faktoren sein. Die Identifikation potenzieller Nachfolgerinnen und Nachfolger ist weit mehr als ein Auswahlakt. Sie ist ein Balanceakt zwischen Nähe und Objektivität, zwischen familiären Bindungen und unternehmerischer Vernunft.
Im Mittelpunkt steht zunächst die Frage, wer grundsätzlich infrage kommt, um die Nachfolge zu übernehmen.
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Familienintern: Familienmitglieder, die Interesse und potenzielle Eignung zeigen.
Bei familieninternen Nachfolgelösungen treten oft unausgesprochene Dynamiken zutage. Konkurrenz zwischen Geschwistern, Loyalitätskonflikte oder generationsbedingte Unterschiede in Werten und Führungsstilen können Spannungen erzeugen.
Gerade in dieser Phase hilft ein neutral moderierter Prozess, um allen Beteiligten eine Stimme zu geben und Rivalitäten konstruktiv zu gestalten. Ziel ist es, potenzielle Konflikte nicht zu verdrängen, sondern sie frühzeitig sichtbar zu machen, bevor sie den Entscheidungsprozess dominieren.
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Familienextern: Langjährige Führungskräfte oder Schlüsselpersonen aus dem Unternehmen sowie externe Kandidatinnen und Kandidaten, die eine neue Perspektive einbringen können.
Es gibt vielfältige Gründe, sich für eine familienexterne Nachfolge zu entscheiden. Neben einem Mangel an qualifizierten innerfamiliären Kandidaten können auch gesellschaftsvertragliche Regelungen oder solche der Familiencharta, die künftige Konflikte vermeiden sollen, oder der Wunsch nach einer Professionalisierung der Geschäftsführung ohne familiäre Bindungen eine Rolle spielen. In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, eine externe Lösung oder eine Übergangsphase in Betracht zu ziehen, etwa mit einer erfahrenen externen Geschäftsführung oder einem Interim-Management.
Dies bedeutet keineswegs das Ende familiärer Einflussnahme, sondern kann im Gegenteil helfen, die Eigentümerrolle klarer zu definieren und die nächste Generation schrittweise an unternehmerische Verantwortung heranzuführen.
Ein offener Umgang mit dieser Möglichkeit reduziert Druck innerhalb der Familie und erweitert den Handlungsspielraum. Dann steht nicht mehr das „Wer“ im Vordergrund, sondern das „Wie“ einer nachhaltigen Unternehmensfortführung.
Wird eine externe Nachfolge gewählt, gelten andere Maßstäbe als bei familieninternen Lösungen: Die Auswahl erfolgt rein nach Eignungskriterien, familiäre Aspekte bleiben außen vor. Gleichzeitig ist eine solche Entscheidung leichter revidierbar, insbesondere wenn kein Eigentumsübergang damit verbunden ist. Damit unterscheidet sie sich in Natur und Tragweite deutlich von der familieninternen Nachfolge: Sie ist rationaler steuerbar und emotional weniger eingebettet.
